Conbericht zum Weggefährten 9B

Das alte Volk grüßt Euch

Mit diesen Worten empfing uns Ragelda ganz unerwartet bei Einbruch der Dämmerung am Res Otamont / Sfaytar 466Tr im Waldstückchen nahe den Hallen der Stäbe zu Vim. Sie oder auch die Spähgeister haben nach dem Wiederaufbau des Steinkreises bei Eshel scheinbar endlich Vertrauen in uns gefasst und Ragelda wird uns lehren den alten Weg zu gehen.

Doch dieser Weg wird uns auf eine harte Probe stellen.
Es gilt sich einem Aspekt (Wasser, Feuer, Luft und Erde) oder vielmehr seinem Hüter zu stellen und ihn davon zu überzeugen, dass man selbst dem Element oder Aspekt verbunden und damit würdig ist den alten Weg zu beschreiten. Dazu bedarf es viererlei Dinge: Dem Namen, dem Zeichen oder der Rune des Hüters, der ihm zugeordneten Pflanze und seiner Kunstfertigkeit.

Dieses herauszufinden sandte uns Ragelda auf eine ungewöhnliche und nicht ganz ungefährliche Reise.
In der Erinnerung an das Geschehen am Steinkreis und die dort geknüpften Bande sollten wir unseren Geist von allem befreien und soweit öffnen, ihn allein auf die Wanderung zu eben jenem Hüter zu schicken, während sie über unsere Körper wachen würde.

So hat mich mein Gefühl und das Lied um die schwarzen Schatten als Boten alter Zeit wohl nicht betrogen. Heute gilt es die Seele zu öffnen, auf dass die Augen eine Ahnung des alten Pfades bekommen. Wir entscheiden uns - leider in Abwesenheit Gweraths - diesen Weg zu gehen, im Vertrauen auf Ragelda und das alte Volk. Ein geeigneter Ort ist rasch hinter den Hallen gefunden.
So kauern Cirnea, Sahanya und ich mich in der Dunkelheit nahe einem Mäuerchen zusammen und ein jeder geht seinen Gedanken nach und lässt die Seele schweifen…
 

Ich bin allein in völliger Dunkelheit, alle Gedanken an Eshel und den Steinkreis sind verweht nur das Gefühl von Ruhe und Geborgenheit hat im tiefen Schwarz des umgebenden Nichts Bestand. Aus dieser Schwärze löst sich ein Schatten: „Folge mir“, raunt er und geht.

Ich folge ihm und er geleitet mich auf verborgenem Pfad bis hin zu einer Kreatur von solcher Macht, wie ich sie noch nie wahrgenommen.
Schweigend sitzt sie auf einem Baumstamm, in ihren erzfarbenen Gesichtszügen spiegelt sich dumpf der Widerschein einer Kerze, die eine Runentafel zu seinen Füßen beleuchtet. Mit tiefer Stimme erwidert der Sheranaki meinen Gruß und fragt nach meinem Begehr.

„Ich, ich bin Celissa und... - und ich möchte den alten Weg der Erde gehen, Herr.“

Ist es die Kälte oder seine bloße Gegenwart, die meinen Unterkiefer zum Schlottern bringt und die Stimme erzittern lässt? – Ich weiß es nicht.

„So, den Weg der Erde möchtest du gehen, was weißt Du über die Erde?“
„Sie ist lebendig, sie ist der Ort allen Seins, ein fester Pol und für mache auch wie einer Mutter Schoß. Für mich bedeutet sie Ruhe und Geborgenheit.“
„Das ist richtig! So kennst Du dann auch meinen Namen?“
„Nein Herr, den Euren kenne ich nicht. Aber jener Aspekt der Erde dem ich zugetan, ist unter dem Namen Gâya bekannt.“
„Gâya, ein schöner Name, doch so heiße ich nicht. Ich bin En-Ka-Mush.“
„So seid Ihr der Hüter, von dem Ragelda sprach?“
„So ist es.“
„Verzeiht meine Unwissenheit, aber was genau tut Ihr als Hüter der Erde?“
„Ich bewache einen der Zugänge des alten Weges, den nur das alte Volk gehen darf. Du hast ihn noch nicht beschritten und stehst auch nur mit einem Teil Deiner Selbst hier vor mir, um einen möglichen Anfang zu schauen, aber wir werden uns wieder sehen…“
„Und die Rune zu Euren Füßen ist Euer Zeichen?“
„Ja.“
„Ich sehe wohl ihr Abbild doch wie benennt man es?“
„Es ist mein Zeichen!“
„Also die Rune des Enkamush?“
„Du magst sie so nennen.“
„Ragelda hat von vier Dingen gesprochen, um die ein jeder wissen muss, der den alten Weg beschreiten will. Wie steht es daher um Eure Pflanze und die Kunst, die Euch oder das Alte Volk erfreuen mag?“
„Das erste wonach Du fragst, kannst Du hier mit Deinen Augen erfassen, das Zweite kannst Du über das Ohr wahrnehmen. Tritt näher und sieh Dich um!“
 

Tatsächlich wird seine Brust von Ranken und einer Pflanze mit grünlichweißer, hängender Blütendolde geschmückt.

„Darf ich mir diese näher ansehen Herr und mich dazu Eures Lichtes bedienen?“
„Natürlich, die Kerze steht zu Deiner Verfügung.“
„Ich kenne diese Pflanze, doch weiß ich sie grad nicht zu benennen.“
„Das ist jetzt noch nicht schlimm, aber präge Dir ihr Abbild gut ein.“
„Das will ich tun Herr.“

„Welche Art von Künsten kennst Du?
„Gedicht, Gesang, die Malerei.“
„Ah, sie sind gut, doch haben sie nichts mit der Erde zu tun. Was glaubst du ist die wichtigste Eigenschaft der Erde?“
„Nun, sie bringt Dinge in vielerlei Gestalt hervor.“
„ Ja ihre Vielfalt ist beachtlich, doch ist ihre eigentliche Kunst eine andere. Komm näher und sieh her!“

Seine Hände bewegen sich formend umeinander.

„Dann ist es wohl das Schaffen und Formen, Herr?“
„Ja, Du kannst dies zum Gefallen der Alten mit Deinen bloßen Händen tun oder Dich auch eines harten Werkzeuges ihrer selbst bedienen.“
„Eines harten Werkzeugs ihrer selbst? - Ihr meint den Stein?“
„Ja so würdest Du als Mensch es wohl nennen. Aber jetzt solltest Du wirklich zurückkehren.“
„Gut, doch werde ich mir all die Dinge, die Ihr mir soeben offenbart, auch einprägen und mich ihrer erinnern können?“
„Das wirst Du.“
„So nennt mir bitte ein letztes mal noch Euren Namen, da er doch sehr ungewohnt für meine Ohren.“
„En-Ka-Mush!“
„Habt Dank, Enkamush.“

Sein Abbild verliert sich im Dunkel und der Schatten gewinnt an Gestalt, der mich oder vielmehr meinen Geist zurück zum Körper geleitet. Fröstelnd erwache ich neben den anderen am Ritualplatz. Ragelda ist da und hat offensichtlich Wort gehalten. Sie zeigt sich um unser Befinden besorgt und ist neugierig und stolz, dass wir wohlbehalten zurückgekehrt.

Die Kälte sitzt mir gehörig in den Gliedern, aber der Verstand ist rege. Und doch kann ich den Anderen kaum Auskunft über das Erfahrene geben, als der Kopf diese Reise kaum zu erfassen vermag. Doch umso klarer sind die Gedanken, da ich diese Zeilen schreibe.
So ist der obige Gesprächsverlauf fast wörtlich rekonstruierbar und leise, leise hallt die Stimme Enkamushs im Geiste wieder...