Conbericht zum Viator 2
Tripnik´s Herberge
Bereits auf der Anreise wurden wir von einem uns entgegen kommenden Söldnertrupp vor Tripnik´s Herberge gewarnt: Sölm Gunstad sei ein schlechter Wirt und Halsabschneider, serviere nur Fraß, der seine Gäste krank mache, denn erst letztens sei wieder einer raus getragen worden. Einhellig rieten sie, besser zum Nachbarort weiter zu ziehen, bevor uns am Ende noch über Nacht das Dach der Herberge über dem Kopf abbrenne.
Doch schienen die Meisten diesen gut gemeinten Ratschlag nicht recht ernst zu nehmen, genau wie die übrigen Gerüchte vom ungeklärten Tod eines Händlers und dem angeblichen Aufkauf seiner Waren durch eine unbekannte Frau, derer einige in Osalds Zuflucht anhörig wurden. - Nein, natürlich nicht der Unbekannten, sondern der Gerüchte. -
So zog man es vor, sich lieber selbst ein Bild der Lage zu machen, bedankte sich noch rasch bei Hakon (ein Name, der mir alsbald wieder begegnen sollte) und seinen Mannen und begab sich schnurstracks Richtung Herberge.
Sämtliche Anschuldigungen entpuppten sich hier als vollkommen haltlos. Schankraum und Schlafquartier aufs peinlichste sauber, Essen wie Getränke ausgesprochen gut, wenngleich auch nicht unbedingt preiswert.
Doch waren Sölm nebst Gattin Giesel und Küchenmagd Lysia stets um das Wohl ihrer Gäste besorgt und da machte auch der Wirt höchst selbst das ein oder andere Zugeständnis. Und wessen Geldbeutel dann immer noch zu schmal war, konnte sich schließlich im Abwasch verdingen. Man munkelt sogar, dass der ein oder andere mit mehr Hellern ging, als er gekommen…
Dennoch gab es anscheinend sehr wohl einen dunklen Punkt in der Vergangenheit Sölms. - Und ich rede hier gewiss nicht über sein zeitweiliges Unvermögen, Herr über eine Reihe an Küchengeräten zu sein.
Traf ihn jener bedauerliche Umstand wohl eher unverschuldet, denn wer weiß schon, welcher Kobold hierbei seine Finger im Spiel hatte.
Vielmehr scheint mir eben jener erwähnte Punkt, mit der in der nahen Umgebung gelegenen, ausgebrannten Ruine, in direktem kausalen Zusammenhang zu stehen. -
Will sagen, dem Hausherrn war es doch sichtlich unangenehm zugeben zu müssen, dass er dereinst sämtliches, noch brauchbares Mobiliar und eine Schatulle aus eben jener Ruine mitgenommen hatte.
So wurde die Schatulle im Gerümpel seines eigenen Vorratskellers alsbald wieder ausgegraben. Sie enthielt einen schriftlichen Auszug aus einem Verhör, das vor etwa 30 Ionden geführt worden war. Dazu eine Phiole mit gar eigenartiger Substanz, die Sölm auf Cems Geheiß fachgerecht entsorgte.
Anscheinend war es der Besitz eben jenes vermeintlichen Giftes, den Sölm wohl fürchtete. Denn ich meine, was ist schon dabei, den Tavernenraum mit Möbeln zu bestücken, die einen Brand unversehrt überstanden?
Oder gab es gar noch einen anderen Grund über Vergangenes, wie Ruine oder üble Nachrede lieber den Deckmantel des Schweigens zu hüllen?
Nachdem Wegbereiter Erik Loesdat den Standort der Ruine -genau genommen handelte es sich nur noch um eine Luke zum Abstieg in ein Kellergewölbe, da der gesamte oberirdische Teil heruntergebrannt war - Preis gegeben hatte, gab es natürlich kein Halten mehr.
Da verhallte auch die Warnung eines ortskundigen Waldläufers vor einem umherstreifenden, angeschossenen und damit äußerst gefährlichen Wollgons fast ungehört.
Die einzigen Ohren, die dies mit Interesse verfolgten, waren die eines Pelzhändlers, der wohl ein reiches Geschäft witterte. Solch ein Fell könne einen immens hohen Preis erzielen erklärte er mir, zumal nur wenige eine Lizenz dafür hätten.
Doch war ich klug genug die Frage nach dem genauen „Wofür“ dieser Lizenz zu unterdrücken. Denn eigentlich mochte ich dem Gesetzesaushang nach schon vermuten, dass sowohl für das Jagen, Besitzen, Handeln und wer weiß nicht was sonst noch, eine eben Solche von Nöten war.
Ein absonderliches Rechtssystem und für meinen Geschmack eindeutig zu materialistisch.
Als ob es keine anderen Werte gäbe, wie harte Münze oder nutzloses Papier…
Sei´s drum. Die Erkundung der Ruine verlief erwartungsgemäß nicht ohne weitere Schwierigkeiten:
Zum Einen machten in den dunklen, engen Kellergängen bisswütige Ratten den Suchenden das Leben schwer, zum Anderen fielen Hakon´s Halunken ihnen in den Rücken.
Immerhin waren diese Herrschaften so freundlich uns noch einmal den Namen ihres räuberischen Anführers zu nennen, bevor sie Kolarius, Calliope und meine Person mit rüder Art und äußerst schlagkräftigen Argumenten wie Bidenhänder und Armbrust vom Zugang der Verfallstätte vertrieben.
Doch gelang es unseren Recken trotz aller Widrigkeiten einen neuerlichen Schriftsatz, den zu entziffern bedauerlicherweise niemand im Stande, aus dunklen Tiefen zu bergen, sowie sich beim Ausstieg erfolgreich zur Wehr zu setzen und einen dieser Schurken gefangen zu nehmen.
Bei Gâya, wie ich diesen Umstand bald bereute: Der Kerl faselte nämlich ohne Punkt, Komma und Unterlass davon, dass er uns bei der hiesigen Obrigkeit wegen Grabens ohne Lizenz, Plünderns, gewaltsamen Freiheitsentzuges, Lüge, Verleumdung und was weiß ich nicht noch allem anschwärzen wolle.
Erst die Drohung, dass ich meine Heilerprofession möglicherweise umgehend vergessen könne, da ich hierfür ebenfalls keine Lizenz vorzuweisen hätte, brachte ihn zumindest für den Moment der Behandlung seines arg verletzen Beines zum Schweigen.
Vielleicht waren es aber auch nur seine Schmerzen oder der vormalige Blutverlust, die ihn langsam ermüden ließen.
Den weiteren Abend verschlief er jedenfalls mucksmäuschenstill und verschnürt auf seiner Bank im hinteren Schankraum.
So wurde er auch nicht der kleinen T´Ailun-Gruppe gewahr, die sich zu fortgeschrittener Storgg in die Taverne gesellte.
Eine Unwissenheit, die auch ich teile, da ich mich recht früh aufs Nachtlager zurückgezogen.
Doch dem Hören und Sagen nach, waren sie gekommen um zu feiern und eine Kugel von Cem und Cirnea entgegen zu nehmen. Dabei muss der eine T´Ailun einer Art Vision unterlegen sein, denn eine weibliche Stimme sprach aus ihm in rätselhaften Worten. Irgendwas von Licht, Dunkel, einem Spross und Wind…
Schade, dieses Spektakel hätte ich gern selber gesehen, zumal mir auch niemand recht den genauen Wortlaut der Prophezeiung wiedergeben konnte.
Aber es blieb auch andernmontes keine Zeit hierüber großartig nachzudenken, denn unser Gefangener führte uns - wenn auch nur unter großem Protest und Gezeter - dann doch noch zum Versteck der Räuberbande und ein wilder Kampf entbrannte.
Wenn auch unter erheblichen Einbußen gelang es am Ende doch Hakon dingfest zu machen.
Nur war dies bei weitem nicht das einzige Problem, was es an diesem Morgen zu lösen galt.
Die Bisswunden der Ratten hatten sich über Nacht böse entzündet und schwächten Cirnea, Hadjiin und Gondolin ganz erheblich. Und die beginnenden Symptome von Schüttelfrost, Fieber und Wundinfektion vermochte nur eine rechte Kräuterrezeptur zu kurieren.
Doch verboten die hiesigen Gesetze sowohl ihr Pflücken als auch das Bereiten von Arzneyen und Tränken ohne entsprechende Lizenz. Und Assessorin Lumeid Groenstav, nebst ihrer Garde sah dies dann auch ausgesprochen eng.
Also wurde wohl oder übel das ein oder andere Zertifikat teuer bei ihr erworben. Nur gut, dass wenigstens die Helfer beim Kräutersuchen noch nicht lizensiert und den Betroffenen am Ende doch noch schnell und halbwegs Gesetzeskonform geholfen werden konnte...
Weniger zimperlich hingegen war die werte Assessorin dabei, einem Bürger im Auftrag des Handelsrates seinen Claim für den Preis von nur einer Sonne abzukaufen.
Natürlich mag eine Sonne durchaus viel und für Manchen ein kaum zu erfassendes Vermögen darstellen. Aber im Vergleich zu Silbermünzen für befristete Lizenzen, veräußerte dieser Bürger seinen Besitz ja nun gleich unwiderruflich und auf Lebenszeit…
Dazu hatte er - sofern ich das richtig verstanden - auf diese Sonne, weil es sich um eine Goldmünze handelte, noch Steuern zu zahlen, oder eben eine entsprechend hohe Gebühr beim Wechsel in Silbersterne hinzunehmen…
Nun gut, vielleicht mag ich es nicht recht zu beurteilen, aber das, was ich von dem Handelsprozedere mitbekam, erschien mir doch recht kompliziert und bisweilen etwas absurd. Irgendwann und wie muss es dann aber doch zu einer Einigung gekommen sein, denn das Geschäft wurde getätigt.
Doch war hernach für mich in keiner der beiden Mienen etwas über dessen Erfolg ablesbar. Wahrscheinlich gehört diese Form der Unnahbarkeit einfach zum nüchternen Montesgeschäft einer zey´schen Assessorin.
Und auch die Tatsache, dass wir Hakon samt dem anderen Gefangenen in ihre Gerichtsbarkeit gaben, schien sie wenig zu beeindrucken. Zügig und professionell protokollierte sie nur Zeugenaussage um Zeugenaussage, um bald darauf samt Stab und Halunkenpack abzuziehen.
Einen bleibenderen Eindruck hinterließ da wohl schon eher die kleine Begebenheit, die einigen Wenigen beim „Waldspaziergang“ widerfuhr.
Zwar war mir das Sonnenkraut als Name eines sehr seltenen zey´schen Gewächses durchaus bekannt und auch die Vielzahl seiner Wirkungen, doch gesehen hatte ich dies Pflänzchen noch nie. Daher war ich einigermaßen überrascht und sehr erfreut, als Klipklap mir von einer Wiese berichtete, auf der das leuchtend gelbe Kraut vermeintlich blühte.
Irgendjemand mit einem sehr merkwürdigen Namen, den er aufgrund seiner Ausgefallenheit auch nicht erinnerte, hatte dem Gaukler dieses Plätzchen gezeigt.Über das nähere Warum, Wieso und Weshalb wollte Klipklap dann nicht recht herausrücken und hatte wohl mit seinem Versprechen zu tun, diesen Ort nicht jedermann Preis zu geben. So fragte ich auch gar nicht weiter nach und sammelte nur ein paar Interessierte Begleiter, uns jenes Fleckchen Natur anzusehen.
Wie wir nun zur Mittagszeit auf dieser Wiese standen und das Sonnenkraut, wie einige andere hübsche Blumen ansahen, schritt ein Wesen des Waldes auf uns zu: Ein weibliches Geschöpf mit langen grünen Haaren, in Schleier und in das Gewand des Waldes selbst gehüllt. Klipklap faselte nur irgendwas, ob dies vielleicht die Frau…, doch schien sie dafür kein Gehör zu haben.
Vielmehr unterrichtete sie uns davon, dass Sonnenkraut, wie all die anderen Blumen dieses Wiesensaumes die letzten ihrer Art seien und wir sie daher nicht pflücken sollten, ohne einen angemessen Ausgleich.
Eigentlich hatte ich gar nicht vorgehabt auch nur eines dieser seltenen Gewächse zu ernten. Wozu auch? -
Doch schien die Grüne Wesenheit mein Innerstes und meine künftigen Gedanken in diesem Moment besser zu durchschauen, wie ich selbst.
Anfangs war ich mir sicher, das leuchtend gelbe Pflänzchen nur ansehen zu wollen, doch war eben genau jetzt zum höchsten Sonnenstand die einzige Zeit das Kraut zu pflücken und vielleicht würden wir künftig seiner heilenden Kräfte doch noch bedürfen.
Die Anderen schienen meine Überlegung zu teilen und gerade Klipklap stimmte enthusiastisch zu.
Und da auch von der Herrin des Waldes kein wirklicher Einwand kam, begann ich mir eher Gedanken über den Ausgleich, denn über meinen merkwürdigen Sinneswandel zu machen.
Daraufhin lächelte die Grüne Frau nur und meinte, sie spüre die Verbundenheit und das Wissen um die Dinge in mir.
Und schon wieder war sie mir einen gewaltigen Schritt voraus.
Wodurch nur konnte Ersatz geschaffen werden, für eine Pflanze, die Iondeh gebraucht hatte zu gedeihen und nun einzig war?
Wie konnten wir sie reinen Gewissens pflücken und doch ihre Art bewahren, ohne Ableger, Samen oder ähnliches?
Doch auch darauf hatte „Sie“ eine Antwort: Wenn wir allesamt bereit und willens einen Teil unserer Kraft zu geben, und diesen auf das Sonnenkraut zu übertragen, so könnte sein Wachstum beschleunigt werden. Zwar würde eine Blüte vergehen, aber hierdurch bald einen Samen hervorbringen.
Und abermals ruhte ihr tiefgründiger Blick auf meiner Person.
Für die anderen mochte dies recht einfach klingen, ahnten sie doch sehr wenig um Gâyas kompliziertes Gefüge und dass ein Eingriff in ein solches mitunter ernste Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Vor allem da ich nicht gerade erfahren, was das Bündeln von Kräften und dessen Einlenken in ihre Schöpfung anging.
Doch schienen mir Kars, Gondolin, Ilcoron und Klipklap in dieser Hinsicht voll zu vertrauen und baten mich das dafür notwendige Ritual trotz des bestehenden Risikos zu versuchen. Gesagt getan und es funktionierte sogar überraschend gut, nachdem der Eindruck des Hineingezogenwerdens und Vibrierens glücklich überstanden.
Zwar fühlten wir uns hernach so erschöpft, als ob wir einen extremen Steilhang mehrmals hinauf und herunter gelaufen wären, doch hatte uns diese Strapaze immerhin das ersehnte Samenkorn beschert.
Nachdem dieses wiederum zeremoniell in Gâyas Leib gepflanzt, war damit der Grundstein für Ausgleich gelegt, und es war nun an uns im Gegenzug zu pflücken.
Die Grüne Wesenheit war voll der Freude und des Lobes über besonnenes, naturgefälliges Verhalten. Wir mögen das Kraut in Ehre halten, sprach sie und war im gleichen Augenblick verschwunden.
Erschöpft reichte ich das Pflänzchen an Klipklap, der sich die beiden verbleibenden Blüten schon interessiert in meiner Hand besah und das Kraut hernach in sichere Verwahrung nahm.
Wer hätte vormals schon gedacht, dass Blumenpflücken mitunter so anstrengend sein kann?!
Aufgeschrieben von
Celissa, Dienerin Gâyas
Im 5.Monat des Jahres 2004