Conbericht zum Weggefährten 9

Conbericht von Chandraki Pradesha

Mein lieber Vater,

nachdem ich einige Mont nichts von mir habe hören lassen und bereits fürchte, Ihr könntet Euch um mich sorgen, erhaltet Ihr hiermit ein Schreiben, in welchem ich die Ereignisse der letzten Mont auf das Genaueste zu schildern versuche. Bitte entschuldigt meine Nachlässigkeit, doch es war mir nicht möglich, einen Boten aufzutreiben, der Euch meine Nachricht zu überbringen bereit war.

Wie Ihr bereits in meinem letzten Brief lesen konntet, halte ich mich immer noch in Jiyam auf. Kürzlich habe ich an der diesiondigen Khalahade teilgenommen, welche in einer Savarna stattfand. Es wird Euch sicherlich interessieren, zu erfahren, was im Rahmen dieser Khalahade alles passierte. Ich rate Euch jedoch, eine Sitzgelegenheit aufzusuchen und beim Lesen eine Tasse Tee zu trinken, auf dass Ihr Euch nicht allzu sehr aufregt.

Als ich nun vor einigen Mont am späteren Abend (neeiin, keine Sorge, werter Vater, es war noch hell!) an der in einem Wald gelegenen Savarna eintraf, staunte ich über die Vielzahl an Besuchern, von denen sich einige vor dem Gebäude versammelt hatten, während andere bereits im Innern der Savarna speisten. Viele der Besucher waren fremdländisch gekleidet; sie schienen aus nördlichen Gefilden angereist zu sein, denn sie trugen zum Teil Umhänge und Gewänder aus grobem, warmem Tuch.

Noch bevor ich die Savarna betreten konnte, sprach mich ein stattlicher Herr an, welcher sich als der Semra der Savarna entpuppte. Auf seine Frage hin erklärte ich, dass ich von der Khalahade gehört hätte und daran teilzunehmen gedächte, doch er wies mich sogleich in recht hochnäsiger Manier zurecht und verkündete, es sei Landsleuten aus Jiyam nicht gestattet, für das Land Jiyam anzutreten. Es sei jedoch möglich, für die Insel Trunos oder für das Land Fosantu zu wetteifern.

Derart eingeschüchtert betrat ich die Räumlichkeiten der Savarna, um mich nach der anstrengenden Wanderschaft zu stärken. Das Mahl nahm ich zusammen mit Reisenden aus dem fernen Zey und anderen nördlichen Gebieten ein, welche ich sogleich über ihr Herkunftsland befragte (ich meine natürlich die Reisenden, nicht die Gebiete!) - meine Reise wird mich schließlich über kurz oder lang auch in den Norden verschlagen.

Nur wenige Einwohner Jiyams hatten sich in die Savarna verirrt; unter ihnen ein weiß; gekleideter Mann, welcher ebenfalls mit uns am Tisch speiste. Es waren zudem einige Barden anwesend, welche uns an den folgenden Abenden mit ihrer Musik erfreuen sollten.
Nachdem wir gespeist hatten, erwartete uns ein besonderes kulturelles Ereignis: Wir hatten die Ehre, ein wahres Kleinod jiyamischer Theaterkunst mit eigenen Augen zu sehen; eine geradezu geniale Aufführung mit ungewöhnlich begabten und auch der Sangeskunst ganz ungemein mächtigen Mimen - auch wenn einige der etwas grob veranlagten Nordländer dem Spiel unserer Landsleute nur wenig abgewinnen konnten.

Sie störten durch lautes Lachen und Zwischenrufe die doch so feinfühlig inszenierte Vorstellung, bis etwas ganz und gar Unerwartetes geschah: einer der Schauspieler wurde während der Aufführung - mir zittert jetzt noch die Feder in der Hand - erstochen!!!

Bitte sorgt Euch nicht, mein gütiger Vater, Eurer Tochter ist bei der ganzen Angelegenheit nicht ein Haar gekrümmt worden!
Wie dem auch sei: Während einige der Besucher Nachforschungen anstellten und die Schauspieler bezüglich des soeben geschehenen Mordes befragten, muss jemand eine Reliquie aus einem Gefäß; im Gebetsraum gestohlen haben; mit schwerwiegenden Folgen, wie sich später herausstellen sollte.

Während wir später bei Musik und Gesang den Abend ausklingen ließen, tauchten noch einige Gäste in der Savarna auf, welche Helfer für die Khalahade anwerben wollten.
Da es mir nicht erlaubt war, mein Vaterland zu vertreten, trat ich am nächsten Tag mit einer etwa zehnköpfigen Gruppe unter der Führung des kimbrianischen Söldners Aguja Pandoro für die Insel Trunos an.

Im Mittelpunkt der Ereignisse am Pach Otamont stand ein Brettspiel, welches von den jeweiligen Anführern der drei Gruppen gespielt wurde. Je nach Konstellation mussten die anderen Gruppenmitglieder Herausforderungen aus den Kategorien Kampf (also zumeist Duelle mit Schwert- oder Stabwaffen), Geschicklichkeit (beispielsweise Lapfinentauchen, Zorintensprinten, Dreibeinlaufen und andere Torheiten) oder Geisteskraft (die Lösung von Rätseln) annehmen.

Der Sieg von Trunos wurde hier nicht zuletzt durch eine vorübergehende geistige Unbeweglichkeit meinerseits vereitelt, doch es muss auch erwähnt werden, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass die Urteile der vermeintlich „Unparteiischen“ einer gewissen Willkür nicht immer entbehrten!

Die gesamte Veranstaltung nahm etwa vier oder fünf Liherc in Anspruch, wobei sich eine gewisse Verzögerung einstellte, da bösartige Geister die Veranstaltung störten.
Nachdem der Angriff jedoch abgewehrt werden konnte, stand schließlich das Land Fosantu als Sieger fest, dicht gefolgt von meiner trunossischen Mannschaft.

Am Nachmittag trennten sich die Wege der Reisenden: Eine recht große Gruppe erkundete den Wald, während ich zusammen mit etwa acht oder zehn anderen Besuchern im Umkreis der Savarna verweilte. Gerade hatten einige von uns es sich mit einem Heißgetränk auf einer Bank in der Sonne bequem gemacht, als wir plötzlich das grausige Gebrüll eines Schurken vernahmen, der mit einer größeren Gruppe unheimlich aussehender Begleiter gerade die Savarna erreicht hatte und nun drohte, unser letztes Stündlein habe geschlagen.

Kaum hatte ich mich versehen, da war auch schon einer der dunklen Schergen hinter mir her! Wäre die Situation nicht so gefährlich gewesen, so hätten Zuschauer sicherlich darüber geschmunzelt, wenn sie gesehen hätten, wie ich mit meiner gefüllten Tasse (!) zunächst über einen baufälligen Steg schwankte, um den in der Nähe gelegenen Fluss zu überqueren und schließlich - meine Gewänder zusammenraffend - einen Hügel hinaufkraxelte, um den Schergen abzuschütteln.

Beruhigt stellte ich fest, dass mein Verfolger von mir abließ; (er hatte wohl begriffen, dass meine Ergreifung wohl kaum ein lohnenswertes Unterfangen und schon gar keine Herausforderung dargestellt hätte) und beobachtete aus sicherer Entfernung, wie die
Eindringlinge sowohl den Söldner Arsan als auch den Semra der Savarna angriffen und niederschlugen!

Nach dem Verschwinden der Feinde ging ich einer Heilerin bei der Versorgung der beiden Schwerverletzten zur Hand (der Söldner war durch einen Zauber bewusstlos oder zumindest gelähmt, der Semra schwer verwundet), doch schon bald stellte sich heraus, dass die Eindringlinge nur zeitweilig den Schauplatz ihrer Freveltaten verlassen hatten. Glücklicherweise konnten wir uns so lange im Innern der Savarna vor ihnen verstecken, bis die übrigen Reisenden aus dem Wald zurückkehrten.

Später erfuhr ich, dass es sich bei den Angreifern teilweise um Geister handeln musste, welche im Zusammenhang mit der erwähnten Entwendung der Reliquie freigesetzt worden waren. Die Reliquie diente wohl als Schlüssel zu einem Raum, in welchem sich Lampen befanden, denen die Geister innewohnten. Jemand hatte den Raum sowie die Lampen geöffnet und auf diese Weise die missliche Lage verursacht, in welcher wir uns nun befanden. Wer jedoch der lautstarke Anführer der Gruppe war, das sollten wir erst später erfahren.

Am Abend erwartete uns erneut ein reichhaltiges Mahl. Bei gutem Wetter hielten wir uns - nach einem kurzen Ausflug in den Wald, wo ich mit einigen Kräuterfrauen Heilpflanzen sammelte - draußen vor der Savarna auf. Dort widmete ich mich meiner Einnahmequelle, der Schmuckherstellung, und hielt einen Plausch mit anderen Reisenden, während einige andere ein recht kompliziertes und langes Ritual abhielten, um einen der entschwundenen Geister zu rufen und ihn wieder in die ihm angestammte Lampe zurückzubefördern. Dies gelang schließlich auch.

Am späteren Abend wohnte ich abermals einer musikalisch und gesanglich hervorragenden Darbietung der Barden bei, welche sicherlich selbst dem Mahadt ganz besonders gefallen hätte. Bei dieser Gelegenheit gab ich auch ein oder zwei Geschichten aus Jiyam zum Besten. Welch hervorragende Gelegenheit zu einem kulturellen Austausch!

Am Morgen des Pach Saltamont brach eine größere Gruppe bereits vor vier Lihrc in den Wald auf, während sich Eure Tochter noch ihrem Schönheitsschlaf widmete. Dies erwies sich als die richtige Wahl, denn schon bald kehrten die Abenteurer unverrichteter Dinge aus dem Wald zurück.

Auch die Teilnahme an einer zweiten Wanderung in den Wald, welche nach dem Frühstück stattfand, versagte ich mir. Schließlich weiß; ich, wie besorgt Euch das Wissen um eine solche Kühnheit meinerseits stimmen würde, verehrter Vater!

Später berichtete man mir, dass einige Abenteurer im Wald in den Bann eines bösen Zauberers geraten waren; nämlich eben jenes Zauberers, welcher bereits am Vortag lautstark die Savarna attackiert hatte. Es handelte sich um den weiß gekleideten Mann, welcher mir bereits am ersten Abend in der Savarna aufgefallen war. Sein Plan war es wohl, eine dunkle Schlangengöttin herbeizurufen und jene unglücklichen Reisenden, welche unter seinen Einfluss fielen, wurden wider Willen zu Werkzeugen seiner schwarzmagischen Machenschaften. Glücklicherweise konnten die verbliebenen Gäste jenes dunkle Ritual vereiteln und die von ihm geraubte Reliquie sicher in die Savarna zurückbringen, wo sie während eines Gebets dazu verwendet wurde, den dunklen Bann endgültig zu brechen.

Nun bin ich wieder unterwegs und man darf gespannt sein, wohin mich meine Reise als nächstes führen wird. Seid versichert, dass ich euch umgehend berichten werde.

In Liebe,
eure treu ergebene Tochter
Chandraki