Die Kinder der Mahidra

Ein kurapanisches Märchen

Einst lebte ein berühmter Maputi namens Jehandra in Kurapan, der bekannt für seinen Mut und seine Tatkraft war. Er war ein geübter Krieger, ein gefürchteter Gegner und ein geachteter Mann, der schon viele wilde Bestien in den weiten Wäldern erlegt hatte.
Da kam eines Tages der Ruf des Mahadt an das Ohr Jehandras und er eilte in dessen Palast. Der Mahadt aber sprach: mein lieber Jehandra, dein Kampfesmut und deine Kräfte werden gerühmt und ich möchte, dass du meinen Sohn in die wilden Wälder des Nordwestens begleitest, wo die Mandhukatzen und Parder das Leben der Einheimischen bedrohen. Man sagt, dass die Tiere noch wilder und gefährlicher geworden sind, weil dort ein Geist umgeht, der ihnen die Gemüter benebelt und sie zu Wut und Wildheit verleitet. Findet diesen Geist und bringt ihn zur Strecke. Ich gebe Dir meinen besten Speer mit, der jeglichen Panzer durchstößt. Da war Jehandra geschmeichelt und freute sich sehr, sogleich rüstete er eine Expedition aus und beriet den Sohn des Mahadt in der Auswahl seiner Waffen und Helfer. Sie bestiegen die Elefanten und Pferde und machten sich auf in die Wildnis.

Doch als sie tiefer in den Wald gelangten, da vernahmen sie zunehmend Geräusche von Tieren, die wie menschliche Stimmen klangen und Furcht schlich in ihre Herzen. Da sang Jehandra ein Lied Otarmas und Saltarajas zu Ehren auf dass selbst die Elefanten und Pferde zu tanzen begannen und der Jagdgesellschaft wich jegliche Angst aus dem Gemüte und man war guter Dinge. Da kamen sie an eine Lichtung, auf der seltsame Ruhe war, kein Ton der Wildnis war zu hören. Jehandra ließ ein Lager aufschlagen und Speisen zubereiten, damit der Sohn des Mahadt bei Kräften bliebe. Doch dieser war voller Ungeduld und Übermut und sprach: Jehandra, lass uns jetzt gleich in den Wald gehen und jagen, die Götter haben die Tiere besänftigt und ich muss die Gunst der Stunde nutzen und das Übel suchen. Da musste Jehandra zustimmen und wider besseren Wissens begleitete er den Prinzen in seinem jugendlichen Drängen. Sie waren noch nicht weit gegangen, da sahen sie einen breiten Pfad in den Waldboden gedrückt, wie wenn ein Bach trocken läge, doch war es Frühling und genug Wasser überall. Dem folgten sie und hörten alsbald wieder das Getier. Da drängte Jehandra zur Rückkehr und wollte nicht weiter. Der Prinz aber sprach: wenn du nicht mutig genug bist, so will ich, der Erbe des Mahadt genug Mut für uns beide aufbringen, folge mir! Und mit diesen Worten gab er dem Pferd die Sporen und ritt geschwind in den Urwald, so schnell, dass Jehandra nicht mithalten konnte.

Kein Wunder war es, denn der Prinz hatte das schnellste Ross des Landes und niemand gewann im Rennen gegen ihn, damals und bis heute nicht. So musste Jehandra der Spur folgen und hoffen, was er tat. Doch so sehr er sich mühte, er verlor die Spur und musste umkehren, da die Nacht hereinbrach. In der Nacht hörte man schlimme Dinge aus dem Walde doch auf der Lichtung war es erträglich. Der Prinz aber kam nicht ins Lager zurück und allen wurde bang. Am nächsten Tage kamen wilde Wesen auf zwei Beinen, halb Mensch, halb Tier und sie sprachen in Wildheit und Hass: geht fort, wir sind die Kinder der Mahidra und wir töten jeden, der in unseren Wäldern herumschleicht. Dabei knurrten, zischten und schrien sie mit tierischen Lauten und wilden Gebärden. Die Träger der Jagdgesellschaft jammerten und beteten zu den Göttern, doch da lachten die Bestien und riefen: Was ruft ihr die Götter, die Mahidra schert sich nicht um die Götter. Sie kennt die Götter und hat sich von ihnen abgekehrt. Nun ist sie für uns da und sie ist gut zu uns. Geht heim, sonst müsst ihr sterben.

Da offenbarte sich Jehandra und nannte seinen Namen: ich bin Jehandra, der beste Krieger des Landes. Keiner von Euch ist mir ebenbürtig in ehrlichem Kampfe noch verdient ihr es einen ehrlichen Kampf zu erhalten. Doch meine Treue dem verschwundenen Prinzen gegenüber, den ich bei Euch vermute, lässt mich Euch den Kampf gegen die Mahidra anbieten. Siege ich, so muss die Mahidra den Prinzen freigeben, siegt sie, so darf sie mein Leben nehmen und die Jagdgesellschaft zieht nach Hause. Kaum waren diese Worte gesprochen, so ertönte ein Rascheln und Scharren im Wald und etwas Großes bahnte sich den Weg durch das Unterholz. Als das Ungetüm die Lichtung erreichte, da starben einige Menschen der Jagdgesellschaft sogleich vor Schreck, denn es war die Mahidra daselbst, die sie erblickten. Sie war von riesiger Gestalt, voller Schuppen und glitzerte in den Farben des Waldes. Ihre lidlosen Augen starten Jehandra an und sie züngelte und zischelte ihn an: der Handel ist gemacht, Mapuri. Wir kämpfen hier auf dieser Lichtung, die sogar den Göttern gut gefällt. Welch Ironie, dass Du hier an diesem Ort deinen letzten Gegner finden wirst, wo es doch eigentlich ein Ort des Friedens ist. Aber die Dinge verändern sich so oft, nicht wahr? Da machte Jehandra den Speer bereit und stellte sich der Mahidra. Doch bevor der eigentliche Kampf begann, rief er Otarmas Segen und Saltarajas Beistand an. Da wurde die Mahidra zornig und rief: du kämpfst unfair, Mapuri, denn du willst diesen Kampf nicht alleine bestreiten. Darum hole ich mir auch meine Begleiter. Sie öffnete das Maul und heraus strömten Kreaturen, welche unvorstellbar schienen, voller Schnäbel, Krallen, Klauen.

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Sie folgten dem Geheiß der Mahidra und umringten den Kämpfer des Mahadt. Jehandra aber stieß seinen Speer tief in ihre Leiber und seine Bewegungen waren eifrig und voller Entschlossenheit und ein goldener Schimmer bedeckte seine Rüstung. Voller Verwunderung sahen seine Begleiter, dass ihm viele Arme wuchsen und in jeder seiner Hände eine weitere Waffe erschien. Und so kämpfte er allein mit der Götter Hilfe wie wenn er ein ganzes Heer wäre. Als er das letzte Kind aus dem Maul der Mahidra vor Augen hatte und schon zustoßen wollte, da sah er in den Augen der Bestie einen bekannten Schimmer und er hielt inne. Silbrig lief ihm der Schweiß über das Gesicht und im kalten Glanz dieser Tropfen befiel ihn eine Ruhe. Er stellte den Speer auf die Spitze und sprach: dich töte ich nicht, denn nicht Du bist es, der mein Feind ist. Saltarajah will kein unnötiges Blutvergießen.

Da zischte die Mahidra voller Wut: immer wollen Deine Götter nur anderen ihren Willen aufzwingen! Wir aber sind frei in unserem Tun! Da sprach Jehandra: wir sind alle Kinder der Götter und schulden ihnen Dank. Sie geben und sie nehmen Leben und wir sind ihre Hände. Willst Du leugnen, dass die Götter auch dich erschaffen haben? Da lachte die Mahidra und sprach: die Götter haben vieles geschaffen, vielleicht auch mich. In diesen Wäldern aber kann nur einer Leben nehmen oder geben und das bin ich! Ich will Dir folgendes anbieten: Du nimmst den Platz dieses Wesens hier ein, das Du verschont hast und ich gebe dafür den Prinzen frei, den Du so sehr suchst. Da fragte Jehandra: Was muss ich tun, um den Platz deines Dieners einzunehmen? Da sagte die Mahidra: komm in mein Maul auf dass ich dich verschlingen kann. Dieser dort – und die Mahidra blickte die verschonte Bestie an - wird dich begleiten.

Da fasste Jehandra all seinen Mut zusammen und schritt voran. Die Menschen schrien vor Entsetzen. Sie riefen: „Die Mahidra hat ihn bezaubert, der Arme!“ und wollten ihn abhalten, doch Jehandra lachte und wurde immer ruhiger. Er verschand im Maul der Mahidra und dieses schloss sich. Da rollte sich die Mahidra zusammen und schlief ein. Sie verschwand und schließlich stand der Prinz an ihrer statt. In seiner Hand hielt er die Spitze des Speeres, blau und glänzend. Voller Verwunderung kam er auf die Seinen zu und sprach: Jehandra hat den letzten Kampf gefochten. Doch nicht die Klinge war es, die diesen Händel beendete. Es war der Götter Wirken. Da schwoll im Wald ein Wehklagen und Heulen an und die Bestien des Waldes, die Kinder der Mahidra, die noch übrig waren, schrien vor Wut, dass es durch das Geäst brüllte: wir werden euch jagen für diesen Frevel! Nun sind wir allein! Die Mahidra ist fort und ihr habt sie genommen. Eiligst packte die Jagdgesellschaft und verließ die Wälder. Die Mahidra ist fort und nie hat man wieder etwas von Jehandra gesehen oder gehört. Aber das wilde Blut geht immer noch um. Hütet Euch vor den Bestien des Waldes auf ihrer Suche nach der Mahidra!