Aufbruch nach Midghul

€žHallo Gram, du alter Halunke, ich hab da was zu schreiben für Dich.€œ Der Mann im schweren Waffenrock setzt seine schwere Axt ab und wischt sich eine Haarsträhne seines dünner werdenden Haares aus dem Gesicht. €žDas muss schnell nach Midghul geschickt werden, wenn`s fertig ist. Ich würds ja selber machen, aber meine Waffenhand schmerzt gerade und den Federkiel finde ich schwierig zu führen. Außerdem musst Du ja auch von etwas leben und der Kaufmann, für den ich arbeite, sagt, du bist gut und zuverlässig und nimmst ordentliche Preise für ein Schriftstück. Also, ich diktier Dir das dann mal. Das Schreiben geht an einen Zwerg namens Iblis in der Domäne Garonstorn. Und das sollst Du schreiben:

Hallo Iblis,

deinen Brief habe ich heute bekommen. Sieht ja mächtig nach Ärger aus und nach viel Arbeit für eine Axt und einen Schild. Ich machs kurz und sage schon mal, dass ich komme. Oder sagt man ich schreibe, dass ich komme? Moment, ich schreibe also, dass ich schon mal schreibe, dass ich komme. Jedenfalls komm ich. Und ich bring meine Axt mit. Stell schon mal Trogam kalt und zähl die Belohnung. Ich muss ja auch irgendwovon leben, auch wenn ich Freunden gern helfe.

Ich glaub, Ziridor und Aguja kommen auch. Die haben aber keine Axt so wie ich. Macht aber nix, denn wir sind ja die Viatores. Also bis dann

Gundar Alegunt€œ

Der Schreiber hält nach eifrigem Kratzen auf dem Papier mit einer abgewetzten Gänsefeder inne und blickt Gundar lustig an. €žWart mal Gundar€œ, sagt er, €žich muss da noch was drunter setzen, damit ich bei den Zwergen etwas bekannter werde...€œ. Dann ergänzt er:

(Diktiert zu Tsohse in Zey, aufgeschrieben von Gram Kritzelkunst, Schreiberbedarf und Briefaufsetzer)

€žSo, nun ists fertig€œ, ein Werk ordentlicher Schriftkunst. Du siehst aus, als wenn Du bald reisen willst.

Der angesprochene grinst breit, zieht ein silbernes Fläschchen aus dem Rucksack, trinkt einen Schluck und antwortet:
€žNa klar. Hier wird`s langsam langweilig. Immer nur Fässer, Kisten und Pfeffersäcke bewachen lässt mich ganz schön einrosten. Und bei den Zwergen gibt`s gutes Trogam und keine Spitzohren, die hinter Bäumen lauern. Schau Dir das schöne Frühlingswetter an, dann weißt Du, dass man nicht mit dem Reisen warten darf.€œ Mit diesen Worten wirft der Söldner dem Schreiber einige Kupfer hin und fügt hinzu: €žkannst mich ja auf einen Abschiedsschluck in die Schenke begleiten, da solls heut Lieder und Tanz geben.€œ

Die Wachen am Tor von Seleskil begutachten den Mann skeptisch. "Was willst Du denn hier mit all deinem Kriegsgerät?" Der Angesprochene lächelt, zuckt mit den Achseln und erwidert: "Na ich suche mir etwas Ärger in Midghul, die Zwerge haben mir einen Brief geschreiben, dass da eine scharfe Klinge und entschlossene Hände gesucht werden. Da hab ich mir natürlich gedacht, dass das ein guter Ort für mich ist."

Eine der Wachen mustert argwöhnisch das lange Kettenhemd, Schild und Axt des Reisenden. "Das kann ja jeder sagen! Wenn Du nicht in Begleitung eines Adligen oder Kaufmanns bist, bleibst Du außerhalb der Stadttore. Wir wollen keinen Ärger hier und Du schaust nach Ärger aus."

"Das will ich meinen, dass ich nach Ärger ausschaue, ist schließlich mein Beruf, Ärger zu machen oder welchen zu beenden. Ist schon gut, was Du sagst. Pass auf, ich will nur wissen, ob hier ein paar Freunde von mir sind, die Viatores. Der Ziridor ist so ein Kaufmann. Den erkennst Du gleich an seinem Blick als schlauen Mann, der gute Waren zu schätzen weiß. Und den Aguja hättet ihr sicher auch erkannt, denn er hat so einen Sprachfehler aus Kimbri und trägt mehr Rüstung mit sich rum als ich."

Die Wachen blicken einander kopfschüttelnd an und einer der beiden sagt dann: "Wenn wir hier noch mehr von Euch Bewaffneten gesehen hätten, dann wären wir sicher nicht so freundlich zu Dir gewesen und jetzt sieh zu, dass Du die Handelskarren nicht weiter aufhältst! Als nächstes willst Du uns wohl noch erzählen, dass Du T´Ailun als Freunde hast, was?"

"Schon gut, schon gut. Musst ja nicht gleich Angst haben. Dann geh ich halt zur Herberge südlich der Siedlung weiter. Da schmeckt das Trogam eh besser als im Ostviertel, wo Eure Herberge ist." Mit diesen Worten macht sich der Söldner wieder auf den Weg. Er streicht noch gedankenverloren über seine Axt und murmelt ein paar Worte im Gehen, die sich anhören wie "Wo die mal wieder sind? Sonst tauchen sie immer auf, wenn man Sie nicht erwartet und jetzt, keine Spur von ihnen...ach egal, dann zieh ich halt allein ein paar Scheitel."

Durch das immerwährende, wiederkehrende Schlagen der Wellen gegen den Rumpf des Schiffes schien sich die Zeit ins Endlose auszudehnen.
Wie lange war es her, als sie das vinnländische Fjord verließen und Segel Richtung Dria setzten? Aguja wußte es nicht. Zeit und Wasser - zuviel von beidem.

Vor allem zuviel Zeit- Zeit um über die jüngsten Ereignisse nachzusinnen. Caruzo und seine kleine Mannschaft hatten sich in Anbetracht der unerwarteten Gefahren als wackere und standhafte Streiter erwiesen.
Selten zuvor -wenn überhaupt- standen sie so nah am Abgrund...

Auch die Worte, der vinnländischen Seherin, die auf Agujas Veranlassung die Runen befragte, beschäftigte ihn.
"Hör auf den Rat deiner Freunde. Dann kann sich alles zum Guten wenden."
Was hatte sie damit gemeint? Auf den Rat der Viatores hören ?
Bueno, wenn es sich um trogam oder melonas handelt vielleicht...

Der Treffpunkt in Gortehaard war für den Res Marshmont vorgesehen. Es würde knapp werden die Stadt zum vereinbarten Tag zu erreichen.
Das "stolzeste Schiff der rathelsbecker Handelsmarine" schien für Agujas Geschmack ein ziemlicher Seelenverkäufer zu sein. Immerhin Caruzo verlangte dem Kahn einiges ab und so schafften Sie es rechtzeitig in Gortehaard einzulaufen.
Direkt nach am Anlegen verließ er das Schiff und war froh endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er mußte die anderen finden; es wäre schlecht, wenn bereits alles geschäftliches ohne ihn geklärt werden würde.

"Gundar und Ziridor sind besstimmt schon da. Hehehe, Manche kommen halt immer zu früh, ich immer genau bueno..."