So, hier also zwei Geschichten über Ellit Luegenspiel, drianisches Gegenstück und Anagramm von Till Eulenspiegel.
Die Geschichten über sie ähneln nicht zufällig denen über Eulenspiegel, und zwei davon - wie gesagt - stelle ich nun hier vor.
(Die erste, sehr kurze ist nur eine Alibi-Geschichte, damit nicht der einzige Text der mit dem Hinweis ist.)
Wie Ellit Luegenspiel in Motrolostigo
Blinde heilte
Als Ellit Luegenspiel nach Motrolostigo kam, so saßen am Stadttore vielerlei Bettler, auch Blinde darunter, welche sie sogleich um Geld anflehten, ihr grausames Schicksal zu lindern. Luegenspiel aber sprach: „Ich will jedem von Euch Blinden ein Silber geben, und Euch damit wieder sehen machen.“ Mit diesen Worten warf sie den Blinden eine Handvoll Münzen zu, so dass das blinkende Geld über die Pflastersteine davonsprang und hierhin und dahin rollte. Die scheinbar blinden Bettler, nicht faul, sprangen hinterdrein. In ihrer Gier vergaßen sie, sich zu verstellen, und Luegenspiel lachte, hob die Münzen wieder auf und sprach: „Da Ihr nun alle geheilt seid, braucht Ihr meine Almosen nicht mehr und könnt arbeiten.“
Wie Ellit Luegenspiel bei einer Hexe
in die Lehre ging
Auf dem Wege durch Midhgul kam Ellit Luegenspiel an einer kleinen Kate vorbei, aus der es wunderlich roch. Neugierig steckte sie ihre Nase zum offenen Fenster hinein, und eine alte Frau schalt sie und rief: „Du vorwitziges Ding! Was steckst Du Deine Nase in mein Haus?“ Luegenspiel gab zur Antwort: „Soll ich meine Nase lieber hinausstecken?“ „Ja, tu das, Du Schalk!“ rief die Alte, und Ellit nicht faul, stieg zum Fenster hinein, und hielt nun ihre Nase durch das Fenster nach draußen. Wie nun die Alte das sah, sprach sie: „Du tust fein hübsch, was man Dir sagt. Willst Du bei mir in die Lehre gehen und das Hexenhandwerk lernen?“ Ellit sagte ja, und blieb bei der Hexe. Dort sollte sie sogleich lernen, wie man Tränke braut, und die Hexe hieß sie, den Kessel mit Wasser aufs Feuer zu tun. Ellit aber deckte den Topf umgekehrt über das Feuer, so dass es ausging, und die Alte zeterte: „Was machst Du Schelm? Hab ich Dich dies tuen heißen?“ „Ja“, sprach Luegenspiel, „Du hast mir aber nicht gesagt, wie ich s tun soll.“ Dass musste die Hexe einsehen. Da hieß sie Ellit, den vollen Kessel am Haken über das Feuer zu hängen, damit das Wasser koche, und Luegenspiel tat, wie ihr geheißen. Die Hexe sprach: „Ein Bauer will mir seine Kuh nicht lassen, und darum will ich ihn verhexen. Schau gut zu, was ich hinein tue, damit Du lernst.“ Ellit aber sperrte die Augen auf, soweit es ging und starrte damit die Alte an, bis diese rief: „Was schneidest Du für Fratzen? Du glotzt wie eine Meerkatze!“ Luegenspiel aber antwortete: „Du hast mich gut zusehen heißen, und da muß ich meine Augen offen halten, dass ich ja nichts versäume.“ Die Hexe ärgerte sich zwar, konnte aber nichts sagen, da Ellit nur tat, wie geheißen. „Nun gut“, brummte sie, „dann schau nur tüchtig weiter.“ Sie gab Witwerrispe und Molchaugen in den Kessel, ein wenig Horn, Haar und Zorinthenschalen für den Geschmack, und rührte kräftig um. Dann sagte sie: „So, mein Lehrling, ich reite nun auf dem Besen aus, Du aber sollst den Kessel rühren, bis der Trank fertig ist.“ „Wie aber erkenne ich denn, Frau Meisterin, wann der Trank fertig ist? Das Rühren ist eine mühselige Arbeit.“ Die Hexe gab zur Antwort: „Wenn der Rand des Kessels erreicht ist, hat der Trank lange genug gekocht, und Du kannst Dich wieder auf die faule Haut legen!“ Sprach s und ritt zum Schornstein hinaus. Luegenspiel aber nahm ein paar seltsam gefärbte Steine aus dem Schrank der Hexe, und warf sie in den Kessel, bis der Sud darin den Kesselrand erreichte, und legte sich danach zum Schlafen hin. Als die Alte zurückkam, rief sie: „Du Tor, was hast Du mit dem Trank gemacht? Du solltest doch rühren, bis er fertig ist!“ „Das habe ich auch“, sprach Ellit da. „Ich habe die Steine aus dem Schrank genommen und hineingeworfen, und als der Rand des Kessels erreicht war, habe ich aufgehört zu rühren.“ „Du Närrin!“ fauchte die Hexe. „Du hast von dem Erz daran getan? Nun ist der Trank unwirksam geworden! Scher Dich hinaus, so einen Lehrling wie Dich kann ich nicht brauchen!“ „Wie schnell soll ich denn gehen?“ fragte Luegenspiel, und die Alte schrie voller Zorn: „So, wie Du gekommen bist, Du Schalk!“ Da schlug Ellit das Fenster entzwei, und stieg hindurch. „Hast Du noch nicht genug Schaden angerichtet, dass Du mir auch noch das teure Glas zerschlagen musst?“ rief ihr die Hexe nach, aber sie lachte nur und sprach: „Aber Ihr habt mich doch gehen heißen, wie ich gekommen bin.“ und lief lachend davon, und die Hexe hatte zum Schaden auch noch den Spott dazu, und hatte das Nachsehen.
Und hier ist das zweite Dokument, daß sich in Besitz von Tisken Beuth, seines Zeichens Ex-Räuber, Ex-Söldner und Hehler sowie weitverzweigter Verwandter des Druiden Stirken Beuth (siehe Rifkins Stunde) befindet:
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Ein Krieger steht sinnend an Beltemunds Küste,
sein Blick geht hinaus auf das endlose Meer.
Er hat für die Reise sich trefflich gerüstet,
und fester ergreift seine Hand nun den Speer.
„Rat du mir nun, Stern, da zu fahren mich lüstet
zu neuen Gestaden, wohin soll ich gehn?
Denn mir steht der Sinn nach entlegener Küste,
zu sehen, was kein Auge vor mir gesehn.“
So sprach zu sich Kauris, der Stern aber hörte
jedwedes so leise gesprochenes Wort.
Er war es, der Kauris zum Horizont führte,
von Heimat und Hütte und Herdfeuer fort.
Serrun, die in Wolken Gewandete, zeigte
durch ihr Himmelsfeuer den Brüdern den Pfad.
Als Kauris den Kelch mit dem Opfertrunk neigte,
gewährte Serrun ihm, worum er sie bat.
Und Rarek, gezeichnet von Narben der Wunden
aus unzählgen Schlachten, er folgt Kauris nach,
der Ende der Welten mit ihm zu erkunden,
zu finden die Wunder, die Kauris versprach.
Jung Bolin, der Harfner von Evengards König
bricht mit ihnen auf, voller Jugend und Drang.
Die tosenden Wellen, sie schrecken ihn wenig:
Er trotzt selbst dem Sturmwind mit seinem Gesang.
Auch Loenfar der Rote, dem König verbündet,
er läßt seine Kragge beladen zur Fahrt:
„Was immer auch Kauris am Weltenrand findet,
das finde ich mit ihm!“, so schwört er beim Bart.
Und schließlich folgt Ispen: Den Wurfspieß ergriffen,
entbietet er Larn einen schallenden Gruß,
und setzt auf das fünfte und letzte der Schiffe
mit grimmigem Mute den eisernen Fuß.
„Naut, schlage die Trommel, laß Ruta fest schlafen,
damit nicht die Grimme vom Lager erwacht,
und Larn, führ die Schiffe zum sicheren Hafen,
geleite, Serrun, uns durch finstere Nacht.“
So beginnt die Übersetzung, die Bramius von Haagenau von jenem Abschnitt des sogenannten “Kauris-Liedes” anfertigte, der von der Überfahrt der “fünf Brüder” nach Dria handelt – und die durch den Versuch, sowohl Inhalt als auch Aufbau des Originals getreulich wiederzuspiegeln, an manchen Stellen unsauber gereimt daherkommt und holpriger klingt als das später entstandene Liedgut. Dennoch stellt sie eine reichhaltige Quelle für den Forscher des Altertums dar, da Bramius nicht das kleinste, noch so unwichtige Detail ausläßt.
Unter Gelehrten gilt es bekanntlich als unumstritten, daß es tatsächlich jenen legendären Ispen und seine vier "Brüder" gab, welche aus einem fernen Land namens Beltemund aufbrachen und schließlich das gesuchte Eiland erreichten, was von der Strophe
Am hundertsten Tage dann endlich erschallen
vom Ausguck die Rufe, und Land ist in Sicht,
ein güldenes Eiland erblicken sie alle,
wo Welle um Welle am Ufer sich bricht.
sowie den dreiundzwanzig folgenden so ausreichend dokumentiert und detailreich geschildert wird, daß sämtliche Forscher darin übereinstimmen, es handele sich bei dem beschriebenen Eiland tatsächlich um die Sonneninsel Dria.
Sie landeten demnach im Nordwesten, da ihnen dort das Land am "lieblichsten" und unbewohntesten erschien, wie es heißt. Dort handelte Ispen (welches in der heutigen Sprache "Eisenbein" heißt, denn er hatte einen Fuß unterhalb des Knies im Kampfe verloren) mit den Kelatt, welche als Nomadenvolk das Land brach liegen ließen, einen Vertrag aus, um einen Stützpunkt errichten zu dürfen, einen Stützpunkt „fyr Handel, Fyschung und dem Wonen“, so steht es in Ispens Vertrag, der in der königlichen Bibliothek von Lino in einer magisch versiegelten Vitrine ausgestellt und allgemein als echt anerkannt wird.
Die anderen vier ernannten Ispen daraufhin ob der gelungenen Tat zu ihrem Hetmann, ein Amt, aus dem später einmal das des Königs erwachsen sollte. Der Grundstein des Königreiches war somit gelegt.
Aber Kauris brachte nicht nur seine Sprache und Sitten mit nach Dria, sondern auch die Uldsgota und Ansgota, die Götter Beltemunds: Naut, die Göttin der Jagd, aber auch der Hoffnung, Ruta, die Göttin des Meeres und der Zeit, Larn, ihr Widerpart, Gott der Schiffahrt und des Wissens, sowie Serrun, Göttin der Nacht, der Sterne und der Weissagung, um nur einige zu nennen – das beltemundische Pantheon umfaßte zwölf Gottheiten, je sechs Uldsgota und sechs Ansgota, welche die beiden Seiten je eines Elementes verkörperten: Die von den Menschen nutzbar gemachte sowie seine wilde, ungezähmte Seite.
Die Einwanderer gaben zunächst ihre Riten und Gebete an nachkommende Generationen weiter, so daß sich auf ganz Dria Hinweise auf ehemalige Tempel finden lassen, jedoch führte die kulturelle Vermengung mit dem zahlenmäßig größeren Reitervolk der Kelatt schließlich dazu, daß der Glaube an die Zweigötter, Otar und Saltah, zu einer Hauptreligion heranwuchs, die, bedingt durch die althergebrachte Lebensweise der Beltemunder, immer elaborierter und ritualisierter wurde: Wo die Kelatt höchstens kleine, transportable Schreine mit sich führten, errichteten die Nachkommen Ispens prächtige Tempel im Namen der Zweigötter. Dennoch legten sie ihren alten Glauben nicht völlig ab – vielmehr ging er in der neuen Religion auf, so daß zum Teil heute noch einige diese eingeführten Gottheiten, wenn auch in abgewandelter Form, Anbetung finden, und zwar als „Kinder“ Otars und Saltahs, was ihre „Unterwerfung“ durch die Zweigötter dokumentiert:
Der Uldsgot Haeder wurde im Laufe der Zeitalter zu Mmeo-in-den-Wäldern, dem Gott der Pflanzen, Tiere und der „Menschbestien“, jener Wesen, die halb Tier und halb Mensch sind. Dazu zählen auch Lykanthropen wie zum Beispiel Werwölfe, obwohl diese auch seiner „Schwester“ Serrun, der Mondgöttin, unterstanden. Der Serrunglaube wurde jedoch in den Zeiten der Inquisition als Anbetung der Nacht (und damit Fegs, des Finsteren) rigoros unterbunden, und nur wenige ihrer Anhänger sind dieser ungerechtfertigten Verfolgung entkommen, um ihre Mysterien weiterzugeben. Argotea, der Göttin des Lebens und der Erde, huldigen heute in den ländlichen Gebieten die Einwohner Drias als Avarela. Dorn, der Gott des Todes und „Herr der letzten Wahrheit“, wie er auch genannt wurde, wird unter dem Namen Tharon oder Mor-Tharon als Bewacher der Verstorbenen und der Schlafenden, also der „in die Anderwelt hinüber Gegangenen“, verehrt.
Diese allmähliche Entwicklung will ich nun im Einzelnen an historischen Fakten, zeitgenössischen Dokumenten und Kommentaren in der drianischen Literatur belegen, wobei ich gesondertes Augenmerk auf die Besiedelung des Kontinents während der drei Völkerwanderungen in den verschiedenen Zeitaltern und die dadurch entstehenden differenzierten Formen der Anbetung richte. Auch werde ich genauer auf Reibelautverschiebungen und Dialektbildung anhand der überlieferten Namen eingehen, die aufzeigen soll, daß eine „Übersetzung“ der ursprünglichen Nomenklatur in die Kelattische Sprache nicht ausschließlich in südlicheren Gebieten stattgefunden hat.
Die im Iond 87 Phasfa mit der Gründung erster Beltemundischer Siedlungen beginnende Veränderung
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An dieser Stelle endet das Dokument, die Seite ist am unteren Ende leicht verbrannt, die weiteren Seiten fehlen - und die meisten werden froh darüber sein, nicht auch noch eine pseudowissenschaftliche Arbeit über "Language Shift" lesen zu müssen...
So, hier also zwei Geschichten über Ellit Luegenspiel, drianisches Gegenstück und Anagramm von Till Eulenspiegel.
Die Geschichten über sie ähneln nicht zufällig denen über Eulenspiegel, und zwei davon - wie gesagt - stelle ich nun hier vor.
(Die erste, sehr kurze ist nur eine Alibi-Geschichte, damit nicht der einzige Text der mit dem Hinweis ist.)
Wie Ellit Luegenspiel in Motrolostigo
Blinde heilte
Als Ellit Luegenspiel nach Motrolostigo kam, so saßen am Stadttore vielerlei Bettler, auch Blinde darunter, welche sie sogleich um Geld anflehten, ihr grausames Schicksal zu lindern. Luegenspiel aber sprach: „Ich will jedem von Euch Blinden ein Silber geben, und Euch damit wieder sehen machen.“ Mit diesen Worten warf sie den Blinden eine Handvoll Münzen zu, so dass das blinkende Geld über die Pflastersteine davonsprang und hierhin und dahin rollte. Die scheinbar blinden Bettler, nicht faul, sprangen hinterdrein. In ihrer Gier vergaßen sie, sich zu verstellen, und Luegenspiel lachte, hob die Münzen wieder auf und sprach: „Da Ihr nun alle geheilt seid, braucht Ihr meine Almosen nicht mehr und könnt arbeiten.“
Wie Ellit Luegenspiel bei einer Hexe
in die Lehre ging
Auf dem Wege durch Midhgul kam Ellit Luegenspiel an einer kleinen Kate vorbei, aus der es wunderlich roch. Neugierig steckte sie ihre Nase zum offenen Fenster hinein, und eine alte Frau schalt sie und rief: „Du vorwitziges Ding! Was steckst Du Deine Nase in mein Haus?“ Luegenspiel gab zur Antwort: „Soll ich meine Nase lieber hinausstecken?“ „Ja, tu das, Du Schalk!“ rief die Alte, und Ellit nicht faul, stieg zum Fenster hinein, und hielt nun ihre Nase durch das Fenster nach draußen. Wie nun die Alte das sah, sprach sie: „Du tust fein hübsch, was man Dir sagt. Willst Du bei mir in die Lehre gehen und das Hexenhandwerk lernen?“ Ellit sagte ja, und blieb bei der Hexe. Dort sollte sie sogleich lernen, wie man Tränke braut, und die Hexe hieß sie, den Kessel mit Wasser aufs Feuer zu tun. Ellit aber deckte den Topf umgekehrt über das Feuer, so dass es ausging, und die Alte zeterte: „Was machst Du Schelm? Hab ich Dich dies tuen heißen?“ „Ja“, sprach Luegenspiel, „Du hast mir aber nicht gesagt, wie ich s tun soll.“ Dass musste die Hexe einsehen. Da hieß sie Ellit, den vollen Kessel am Haken über das Feuer zu hängen, damit das Wasser koche, und Luegenspiel tat, wie ihr geheißen. Die Hexe sprach: „Ein Bauer will mir seine Kuh nicht lassen, und darum will ich ihn verhexen. Schau gut zu, was ich hinein tue, damit Du lernst.“ Ellit aber sperrte die Augen auf, soweit es ging und starrte damit die Alte an, bis diese rief: „Was schneidest Du für Fratzen? Du glotzt wie eine Meerkatze!“ Luegenspiel aber antwortete: „Du hast mich gut zusehen heißen, und da muß ich meine Augen offen halten, dass ich ja nichts versäume.“ Die Hexe ärgerte sich zwar, konnte aber nichts sagen, da Ellit nur tat, wie geheißen. „Nun gut“, brummte sie, „dann schau nur tüchtig weiter.“ Sie gab Witwerrispe und Molchaugen in den Kessel, ein wenig Horn, Haar und Zorinthenschalen für den Geschmack, und rührte kräftig um. Dann sagte sie: „So, mein Lehrling, ich reite nun auf dem Besen aus, Du aber sollst den Kessel rühren, bis der Trank fertig ist.“ „Wie aber erkenne ich denn, Frau Meisterin, wann der Trank fertig ist? Das Rühren ist eine mühselige Arbeit.“ Die Hexe gab zur Antwort: „Wenn der Rand des Kessels erreicht ist, hat der Trank lange genug gekocht, und Du kannst Dich wieder auf die faule Haut legen!“ Sprach s und ritt zum Schornstein hinaus. Luegenspiel aber nahm ein paar seltsam gefärbte Steine aus dem Schrank der Hexe, und warf sie in den Kessel, bis der Sud darin den Kesselrand erreichte, und legte sich danach zum Schlafen hin. Als die Alte zurückkam, rief sie: „Du Tor, was hast Du mit dem Trank gemacht? Du solltest doch rühren, bis er fertig ist!“ „Das habe ich auch“, sprach Ellit da. „Ich habe die Steine aus dem Schrank genommen und hineingeworfen, und als der Rand des Kessels erreicht war, habe ich aufgehört zu rühren.“ „Du Närrin!“ fauchte die Hexe. „Du hast von dem Erz daran getan? Nun ist der Trank unwirksam geworden! Scher Dich hinaus, so einen Lehrling wie Dich kann ich nicht brauchen!“ „Wie schnell soll ich denn gehen?“ fragte Luegenspiel, und die Alte schrie voller Zorn: „So, wie Du gekommen bist, Du Schalk!“ Da schlug Ellit das Fenster entzwei, und stieg hindurch. „Hast Du noch nicht genug Schaden angerichtet, dass Du mir auch noch das teure Glas zerschlagen musst?“ rief ihr die Hexe nach, aber sie lachte nur und sprach: „Aber Ihr habt mich doch gehen heißen, wie ich gekommen bin.“ und lief lachend davon, und die Hexe hatte zum Schaden auch noch den Spott dazu, und hatte das Nachsehen.
Und hier ist das zweite Dokument, daß sich in Besitz von Tisken Beuth, seines Zeichens Ex-Räuber, Ex-Söldner und Hehler sowie weitverzweigter Verwandter des Druiden Stirken Beuth (siehe Rifkins Stunde) befindet:
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Ein Krieger steht sinnend an Beltemunds Küste,
sein Blick geht hinaus auf das endlose Meer.
Er hat für die Reise sich trefflich gerüstet,
und fester ergreift seine Hand nun den Speer.
„Rat du mir nun, Stern, da zu fahren mich lüstet
zu neuen Gestaden, wohin soll ich gehn?
Denn mir steht der Sinn nach entlegener Küste,
zu sehen, was kein Auge vor mir gesehn.“
So sprach zu sich Kauris, der Stern aber hörte
jedwedes so leise gesprochenes Wort.
Er war es, der Kauris zum Horizont führte,
von Heimat und Hütte und Herdfeuer fort.
Serrun, die in Wolken Gewandete, zeigte
durch ihr Himmelsfeuer den Brüdern den Pfad.
Als Kauris den Kelch mit dem Opfertrunk neigte,
gewährte Serrun ihm, worum er sie bat.
Und Rarek, gezeichnet von Narben der Wunden
aus unzählgen Schlachten, er folgt Kauris nach,
der Ende der Welten mit ihm zu erkunden,
zu finden die Wunder, die Kauris versprach.
Jung Bolin, der Harfner von Evengards König
bricht mit ihnen auf, voller Jugend und Drang.
Die tosenden Wellen, sie schrecken ihn wenig:
Er trotzt selbst dem Sturmwind mit seinem Gesang.
Auch Loenfar der Rote, dem König verbündet,
er läßt seine Kragge beladen zur Fahrt:
„Was immer auch Kauris am Weltenrand findet,
das finde ich mit ihm!“, so schwört er beim Bart.
Und schließlich folgt Ispen: Den Wurfspieß ergriffen,
entbietet er Larn einen schallenden Gruß,
und setzt auf das fünfte und letzte der Schiffe
mit grimmigem Mute den eisernen Fuß.
„Naut, schlage die Trommel, laß Ruta fest schlafen,
damit nicht die Grimme vom Lager erwacht,
und Larn, führ die Schiffe zum sicheren Hafen,
geleite, Serrun, uns durch finstere Nacht.“
So beginnt die Übersetzung, die Bramius von Haagenau von jenem Abschnitt des sogenannten “Kauris-Liedes” anfertigte, der von der Überfahrt der “fünf Brüder” nach Dria handelt – und die durch den Versuch, sowohl Inhalt als auch Aufbau des Originals getreulich wiederzuspiegeln, an manchen Stellen unsauber gereimt daherkommt und holpriger klingt als das später entstandene Liedgut. Dennoch stellt sie eine reichhaltige Quelle für den Forscher des Altertums dar, da Bramius nicht das kleinste, noch so unwichtige Detail ausläßt.
Unter Gelehrten gilt es bekanntlich als unumstritten, daß es tatsächlich jenen legendären Ispen und seine vier "Brüder" gab, welche aus einem fernen Land namens Beltemund aufbrachen und schließlich das gesuchte Eiland erreichten, was von der Strophe
Am hundertsten Tage dann endlich erschallen
vom Ausguck die Rufe, und Land ist in Sicht,
ein güldenes Eiland erblicken sie alle,
wo Welle um Welle am Ufer sich bricht.
sowie den dreiundzwanzig folgenden so ausreichend dokumentiert und detailreich geschildert wird, daß sämtliche Forscher darin übereinstimmen, es handele sich bei dem beschriebenen Eiland tatsächlich um die Sonneninsel Dria.
Sie landeten demnach im Nordwesten, da ihnen dort das Land am "lieblichsten" und unbewohntesten erschien, wie es heißt. Dort handelte Ispen (welches in der heutigen Sprache "Eisenbein" heißt, denn er hatte einen Fuß unterhalb des Knies im Kampfe verloren) mit den Kelatt, welche als Nomadenvolk das Land brach liegen ließen, einen Vertrag aus, um einen Stützpunkt errichten zu dürfen, einen Stützpunkt „fyr Handel, Fyschung und dem Wonen“, so steht es in Ispens Vertrag, der in der königlichen Bibliothek von Lino in einer magisch versiegelten Vitrine ausgestellt und allgemein als echt anerkannt wird.
Die anderen vier ernannten Ispen daraufhin ob der gelungenen Tat zu ihrem Hetmann, ein Amt, aus dem später einmal das des Königs erwachsen sollte. Der Grundstein des Königreiches war somit gelegt.
Aber Kauris brachte nicht nur seine Sprache und Sitten mit nach Dria, sondern auch die Uldsgota und Ansgota, die Götter Beltemunds: Naut, die Göttin der Jagd, aber auch der Hoffnung, Ruta, die Göttin des Meeres und der Zeit, Larn, ihr Widerpart, Gott der Schiffahrt und des Wissens, sowie Serrun, Göttin der Nacht, der Sterne und der Weissagung, um nur einige zu nennen – das beltemundische Pantheon umfaßte zwölf Gottheiten, je sechs Uldsgota und sechs Ansgota, welche die beiden Seiten je eines Elementes verkörperten: Die von den Menschen nutzbar gemachte sowie seine wilde, ungezähmte Seite.
Die Einwanderer gaben zunächst ihre Riten und Gebete an nachkommende Generationen weiter, so daß sich auf ganz Dria Hinweise auf ehemalige Tempel finden lassen, jedoch führte die kulturelle Vermengung mit dem zahlenmäßig größeren Reitervolk der Kelatt schließlich dazu, daß der Glaube an die Zweigötter, Otar und Saltah, zu einer Hauptreligion heranwuchs, die, bedingt durch die althergebrachte Lebensweise der Beltemunder, immer elaborierter und ritualisierter wurde: Wo die Kelatt höchstens kleine, transportable Schreine mit sich führten, errichteten die Nachkommen Ispens prächtige Tempel im Namen der Zweigötter. Dennoch legten sie ihren alten Glauben nicht völlig ab – vielmehr ging er in der neuen Religion auf, so daß zum Teil heute noch einige diese eingeführten Gottheiten, wenn auch in abgewandelter Form, Anbetung finden, und zwar als „Kinder“ Otars und Saltahs, was ihre „Unterwerfung“ durch die Zweigötter dokumentiert:
Der Uldsgot Haeder wurde im Laufe der Zeitalter zu Mmeo-in-den-Wäldern, dem Gott der Pflanzen, Tiere und der „Menschbestien“, jener Wesen, die halb Tier und halb Mensch sind. Dazu zählen auch Lykanthropen wie zum Beispiel Werwölfe, obwohl diese auch seiner „Schwester“ Serrun, der Mondgöttin, unterstanden. Der Serrunglaube wurde jedoch in den Zeiten der Inquisition als Anbetung der Nacht (und damit Fegs, des Finsteren) rigoros unterbunden, und nur wenige ihrer Anhänger sind dieser ungerechtfertigten Verfolgung entkommen, um ihre Mysterien weiterzugeben. Argotea, der Göttin des Lebens und der Erde, huldigen heute in den ländlichen Gebieten die Einwohner Drias als Avarela. Dorn, der Gott des Todes und „Herr der letzten Wahrheit“, wie er auch genannt wurde, wird unter dem Namen Tharon oder Mor-Tharon als Bewacher der Verstorbenen und der Schlafenden, also der „in die Anderwelt hinüber Gegangenen“, verehrt.
Diese allmähliche Entwicklung will ich nun im Einzelnen an historischen Fakten, zeitgenössischen Dokumenten und Kommentaren in der drianischen Literatur belegen, wobei ich gesondertes Augenmerk auf die Besiedelung des Kontinents während der drei Völkerwanderungen in den verschiedenen Zeitaltern und die dadurch entstehenden differenzierten Formen der Anbetung richte. Auch werde ich genauer auf Reibelautverschiebungen und Dialektbildung anhand der überlieferten Namen eingehen, die aufzeigen soll, daß eine „Übersetzung“ der ursprünglichen Nomenklatur in die Kelattische Sprache nicht ausschließlich in südlicheren Gebieten stattgefunden hat.
Die im Iond 87 Phasfa mit der Gründung erster Beltemundischer Siedlungen beginnende Veränderung
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An dieser Stelle endet das Dokument, die Seite ist am unteren Ende leicht verbrannt, die weiteren Seiten fehlen - und die meisten werden froh darüber sein, nicht auch noch eine pseudowissenschaftliche Arbeit über "Language Shift" lesen zu müssen...